Hintergrund
Versicherte haben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, solange sie bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitslos gemeldet sind und sie vor Eintreten der Arbeitslosigkeit durch die Zahlung von Beiträgen an die Arbeitslosenversicherung Anwartschaften erlangt haben. Um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erhalten, müssen innerhalb der Rahmenfrist von 30 Monaten (bis einschließlich 2019: 24 Monate) mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtige Beschäftigung belegt werden.
Die Höhe des Arbeitslosengeldes beträgt für kinderlose Versicherte 60 Prozent des pauschalen Nettoentgeltes. Für Versicherte, die ein Kind bzw. mehrere Kinder erziehen, entspricht das Arbeitslosengeld 67 Prozent des pauschalierten Nettoentgeltes. Für Beschäftigte mit durchschnittlichem und unterdurchschnittlichem Einkommen bedeuten entsprechende Einkommensverluste nicht selten, dass sie zusätzliche Leistungen nach SGB II, umgangssprachlich Hartz IV, beanspruchen müssen. Diese Personen werden auch als Aufstockerinnen bzw. Aufstocker bezeichnet.
Zusammenfassung und Bewertung
2021 lag der durchschnittliche Zahlbetrag von Arbeitslosengeld an Pflichtversicherte bei rund 1.072 Euro und damit gut 100 Euro unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle (Personen, die weniger als 60 Prozent des gewichteten Medianeinkommens zur Verfügung haben, gelten offiziell als armutsgefährdet. Nach EU-SILC lag die Armutsgefährdungsschwelle im Jahr 2019 bei 1.175,75 Euro). Für freiwillig Versicherte, die einen sehr geringen Anteil der Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld ausmachen, liegt der durchschnittliche Zahlbetrag mit rund 1.296 Euro spürbar höher.
Für etwa 84.000 Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld (entspricht 9,0 Prozent aller Bezieherinnen und Bezieher) reicht die Leistungshöhe nicht aus, um das soziokulturelle Existenzminimum zu decken. Diese Personengruppe ist auf ergänzendes Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) angewiesen. Wer zusätzlich zum Arbeitslosengeld aufstockendes Hartz IV erhält, profitiert fast überhaupt nicht von den geleisteten Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, da das Arbeitslosengeld bis auf die Versicherungspauschale von 30 Euro zu 100 Prozent auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird.
Im Jahr 2021 betrug der durchschnittliche monatliche Arbeitslosengeld II-Zahlbetrag an Aufstockerinnen und Aufstocker 519 Euro. Diese Lücke zwischen dem ausgezahlten Arbeitslosengeld und der Grundsicherungsschwelle ist in den letzten Jahren konstant gewachsen und hat sich seit 2007 (280 Euro) beinahe verdoppelt. Dies deutet darauf hin, dass immer stärker Beschäftigte mit geringem Erwerbseinkommen von Arbeitslosigkeit bedroht und betroffen sind, z. B. aufgrund von befristeten Arbeitsverträgen.
Bemerkenswert ist zudem, dass der Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber vorliegen, wie viele Menschen nach ihrer Arbeitslosmeldung kein Arbeitslosengeld erhalten, weil sie innerhalb der Rahmenfrist nicht die erforderliche Regelanwartschaftszeit erreichen. Die Zahl der Beschäftigten, die nach Verlust ihrer Erwerbsarbeit direkt Hartz IV beantragen müssen, dürfte also spürbar über den von der Bundesregierung genannten Zahlen liegen.
Mein Kommentar zu den Ergebnissen:
„Wenn neun Prozent aller Menschen zusätzlich zum Arbeitslosengeld Hartz IV brauchen, läuft etwas gewaltig schief. Die Leute fragen sich zu Recht, warum sie überhaupt Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abführen, wenn das Arbeitslosengeld nicht mal ihre Existenz absichert, vom Lebensstandard ganz zu schweigen! Das Arbeitslosengeld muss auf 68 Prozent des pauschalierten Nettoentgeltes angehoben werden – und zwar kinderunabhängig. Außerdem braucht es gerade in Anbetracht der jetzigen Situation einen jährlichen Inflationsausgleich, um die aktuellen Preissteigerungen aufzufangen.“
Jessica Tatti, MdB, Sprecherin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag